Eine neue Art, Balkonverglasungssysteme instand zu halten

Der Vorsitzende des Vorstands einer Wohnungsbaugesellschaft stand ratlos da. Die Anteilseigner Virtanen und Korhonen hatten sich schon länger darüber beschwert, dass die Balkonverglasungssysteme in schlechtem Zustand seien – und nun kam auch noch die gleiche Klage von Nieminen. Die Scharniere und Führungen wiesen Abnutzungen auf, sogar die Dichtungen waren defekt und die Schlösser funktionierten nicht mehr. „Haben wir die nicht erst vor etwa zehn Jahren eingebaut?“, wunderte sich der Vorsitzende. „Das kann doch noch keine Renovierung brauchen – das wird teuer…“

In Finnland gibt es über eine Million verbaute Balkonverglasungssysteme, doch es existieren kaum gesetzliche Anforderungen an deren Wartung. Vernachlässigte Instandhaltung kann im schlimmsten Fall zu gefährlichen Situationen führen, in denen Glasscheiben herausfallen und erheblichen Schaden verursachen. Wohnungsbaugesellschaften werden meist erst dann aufmerksam, wenn sich die Beschwerden der Bewohner häufen. Häufig bedeutet das zu diesem Zeitpunkt, dass die gesamte Balkonverglasung erneuert werden muss – selbst wenn das Glas an sich unversehrt und in gutem Zustand ist. Das Glas hält in der Regel viele Jahre, doch die Kunststoffteile, die mit der Zeit spröde werden oder brechen, tun das nicht. Die typische Lebensdauer dieser Teile liegt bei etwa zehn Jahren, bevor ein Austausch erforderlich ist.

Digital Spare part PL Varaosat balcony glazing systems
Old brittle plastic parts can cause the glass to detach and fall off. People on the streets can get hurt. In the picture there is an old worn out part and a new one that has been used to upgrade the old system.

„Wenn man alle Kunststoffteile eines Balkonverglasungssystems erneuert, kommt man mit etwa einem Drittel der Kosten im Vergleich zu einem komplett neuen System aus. Das Problem war bisher, dass die Kunststoffteile nicht verfügbar waren. Es gab viele Hersteller auf dem Markt, doch die meisten existieren heute nicht mehr“, erklärt Jöran Wargh von PL-Varaosat. Er weiß, wovon er spricht – er ist seit über zehn Jahren in der Branche tätig. Genau dieses Problem war der Auslöser für die Gründung seines Unternehmens PL-Varaosat. PL-Varaosat verkauft, montiert und wartet diese Systeme. „Vor einiger Zeit habe ich ein altes System gewartet, und wir mussten die Ersatzteile mühsam manuell aus Blech anfertigen, um es wieder funktionsfähig zu machen. Da dachte ich mir: Das kann doch nicht der beste Weg sein. Es muss eine bessere Lösung geben. Der endgültige Anstoß kam, als ein alter Kunde anfragte, ob wir nicht ein paar Ersatzteile für ihn hätten.“

Die Lösung

Der 3D-Druck hat sich als Schlüsselkomponente für den Start von PL-Varaosat erwiesen. Herr Wargh ist ein erfahrener 3D-Konstrukteur und begann, eine digitale Bibliothek von Ersatzteilen anzulegen – basierend auf alten, teils defekten Vorlagen. Das ist keine leichte Aufgabe. Materflow fungierte als Fertigungspartner und stellte die physischen Produkte her. Inzwischen umfasst die Bibliothek über 250 Teile. Der gesamte Markt benötigt vermutlich über 500 Modelle, um die Kundenbedürfnisse vollständig abzudecken. Neben Ersatzteilen für ältere Systeme bietet PL-Varaosat als Handelspartner auch die neuesten, gängigsten Modelle an. Das Produktportfolio ist in jeder Hinsicht sehr umfangreich.

Digital Spare part balcony glazing systems
Jöran Wargh estimates that Finnish balconies have hundreds of different plastic parts. When old parts can be replaced by new parts the safety and comfort increases dramatically.

Für PL-Varaosat ist der 3D-Druck aus vielen Gründen unverzichtbar. Die Herstellung von Spritzgussformen für eine so große Produktvielfalt wäre wirtschaftlich kaum realisierbar. Hinzu kommt der Vorteil einer schnelleren Markteinführung – die Nutzung einer digitalen Lieferkette macht jeden Arbeitsschritt einfacher und kosteneffizienter. Die Teile werden bedarfsgerecht produziert, sodass kein großer Lagerbestand nötig ist. Die Reaktionszeit der On-Demand-Produktion ist kurz genug, um den Anforderungen der Endkunden gerecht zu werden. „Die gängigsten Artikel halten wir auf Lager, alles andere fertigen wir auf Kundenwunsch. Die Modellierung alter Teile bieten wir kostenlos an – berechnet wird nur die bestellte Stückzahl“, sagt Herr Wargh über den Betrieb seines jungen E-Commerce-Unternehmens.

Wegbereiter für digitale Ersatzteile

Diese Art digitaler Ersatzteile setzt sich weltweit – und auch in Finnland – zunehmend durch. Ein bewährtes Konzept entwickelt sich zur gängigen Praxis. Viele große Unternehmen, wie beispielsweise Daimler, haben ihre umfangreichen Ersatzteilkataloge dahingehend geprüft, welche Teile sich für die additive Fertigung eignen. Neben den reinen Produktionskosten lassen sich erhebliche Einsparungen allein durch den geringeren Lagerbedarf erzielen. Auch die Logistik wird vereinfacht, da die bedarfsgerechte Fertigung eine weniger komplexe Prozesskette ermöglicht.

Digitale Ersatzteile sind zudem Gegenstand umfangreicher Forschung – unter anderem durch die Aalto-Universität und VTT. VTT hat zu diesem Thema auch einen Artikel veröffentlicht.

Neben der Fertigung unterstützt Materflow Unternehmen dabei, ihre Produkte für die additive Fertigung zu optimieren – damit das volle Potenzial ausgeschöpft wird. Schnellere Druckzeiten bei geringeren Kosten sind dabei das typische Ergebnis.

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